Die Mondoberfläche

Passender Song zum Text: Hotel California

Ich gehe durch die Felder, durch die Weiten einer Mondoberfläche. Braune, inhaltsleere und in Reih und Glied sortierte Erdklumpen lachen mich an. Nur vereinzelte Grashalme trauen sich, die Disziplin dieser Regelmäßigkeit zu durchbrechen.

Noch mutiger sind die wenigen Blumen, die sich dazwischen mischen. Unscheinbare Blumen, mit kleinen blauen Blüten. Das bunte Blättermeer überwiegt – und der kalte Wind. Saftig rote Hagebuttenbeeren warten darauf, vom Passanten gepflückt und probiert zu werden. Als Kinder haben wir Juckpulver daraus gewonnen.

Hier ist niemand, nur durch eine weit entfernte Autostraße bekomme ich mit, dass es da draußen noch eine andere Welt gibt, für die es sich zu hetzen lohnt. Ich habe keine Lust auf diese Welt, meine leise Welt gefällt mir viel besser. Diese Welt ist frei von Hass, von Anfeindungen, Neid und Intoleranz.

Die Natur scheint stehengeblieben zu sein. Das kleine Dorf mit den wenigen Einwohnern liegt ganz ruhig in der Senke, nur aus einzelnen Schornsteinen steigt emsig der Rauch. Menschen sind hier nicht zu sehen, die meisten sind bei der Arbeit oder sitzen drinnen vor einem warmen Ofen und lesen ein Buch.

Auch das Schaf, dass mich die letzten Tage noch freudig begrüßt hat, sehe ich heute nicht. Ganz allein steht es da Tag für Tag auf der Wiese, ganz alleine, dabei ist es noch nicht einmal schwarz.

Die Pferde durften sich auf dem Rücken des kleinen Weidehügels sonnen und schauten hin und wieder vom Kauen auf und betrachteten aufmerksam die schnell laufende Spaziergängerin mit dem kleinen Hund.

Aber heute- sehe ich auch keine Pferde mehr. Der Anhänger vor ihrem Stall steht noch immer, unbewegt und nur die kleine Klappe steht seit Tagen offen, so dass ich immer zuerst denke, da tut sich was.

Aber die Zeit steht still, hier auf dem Land.

Als ich an der Spitze des Hügels ankomme und von der Steigung etwas außer Atem bin, halte ich kurz an und überblicke die ganze Landschaft- wie eine sanfte Welle ergießt sie sich über die Erde. In der Ferne die weißen Riesen, die die Windenergie einfangen und für den Menschen nutzbar machen sollen. Groß, anmutig, weiß und gut- aber doch nicht geliebt und von noch mächtigeren Brüdern an die Ecke gedrängt und klein gehalten. Man sieht die Zukunft, in den Köpfen die Vergangenheit.

Es ist hier wie im Mittelalter, denke man sich die Überlandleitungen und die Arbeiten aus Beton oder Metall einfach mal weg.

Mittelalter im tiefsten Germanien.

In dem Land, das schon immer etwas kritisch gegenüber der Einwanderungsthematik gesinnt war. Ein Land, dass allen Aufklärungskampagnen und Gutmenschen zum Trotz den Ruf hat, rassistisch zu sein. Ist es das selbe Land, von dem wir hier reden? Das Land unserer Väter und Mütter? Ist es das Land, das wir lieben? Oder benutzen wir unser Land nur zu unserem Vorteil und um uns zu profilieren?

In der Nachbarschaft habe ich heute einen kleinen schwarzen Jungen gesehen. Er gehört zu einer größeren Gruppe von Afrikanern, die in diesen Tagen eingezogen sind und sich über das Dach über dem Kopf freuen, was ihnen die Gemeinde zur Verfügung stellt. Der andere nette Nachbar mit seinem Traktor hat beim Umzug geholfen, ein anderer, ein Handwerker schaute nach dem Rechten. Hier ist die Welt noch in Ordnung, auf meiner kleinen Mondoberfläche.

Ich schaue nach oben und sehe eine keilförmige Formation von Vögeln. Sie schreien, sie rufen sich bei dem Namen, sie treffen und sammeln sich. Sie fliegen in den Süden.

Die Vögel halten zusammen.

Und – sie sehen glücklich aus.